Griechenland hat eine wertorientierte Politik
Berlin, 5. September 2018
Sehr geehrter Herr Chefredakteur,
zum wiederholten Mal verursacht ein Artikel Ihrer Zeitung über die bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und China Enttäuschung und führt zu berechtigter Skepsis. Ich beziehe mich hiermit auf den Artikel der Korrespondentin Frau Friederike Böge mit dem Titel „Harmonie nach Pekinger Art“ und dem Untertitel „Griechenland will mit China bei der Neuen Seidenstraße zusammenarbeiten. Für Peking kommt es zum günstigen Zeitpunkt“, die in der Ausgabe vom 29. August veröffentlicht worden ist. Da der genannte Artikel von Ungenauigkeiten geprägt ist und eine Reihe negativer und größtenteils unfundierter ähnlicher Artikel der FAZ fortsetzt, möchte ich Sie um die Veröffentlichung dieser meiner Stellungnahme zur Wiederherstellung der Wahrheit bitten.
Ihre Leser müssten darüber informiert sein, dass der Bericht der Leiter der diplomatischen Missionen der EU-Mitgliedsstaaten in Peking, auf welchen sich Ihre Redakteurin bezieht, niemals angenommen wurde, weil, wie allgemein bekannt, zu seiner Annahme Einstimmigkeit erforderlich ist. Daher ist der Vorwurf, dass Griechenland sich von einer möglichen Vereinbarung, (welche sogar, wie die Verfasserin des Artikels zugibt, bereits von Ungarn blockiert worden war) abgewichen ist, zumindest irreführend, wenn nicht böswillig. Und dies, weil, wie Ihre Redakteurin zweifellos weiß, die Berichte, die in regelmäßigen Zeitabständen oder in dringenden Fällen, von den vor Ort befindlichen diplomatischen Missionen, den zuständigen Dienststellen in Brüssel zugeschickt werden, einen Informations- oder manchmal einen Vorschlagscharakter haben und auf jeden Fall nicht Texte darstellen, die Politiken festlegen. Die Politiken, ob gut oder schlecht, werden in den Hauptstädten entwickelt.
All dies, Herr Chefredakteur, gehört zu den Grundkenntnissen, die jeder, der sich mit EU-Angelegenheiten befasst, haben sollte. Diese - wie wir hoffen, unbeabsichtigte – Fehlinformation stellt sowohl die Verfasserin des Artikels als auch die Zeitung, die sie vertritt, bloß, aber keinesfalls ein souveränes Land, das, ohne in dem multidimensionalen Wettkampf mit China verwickelt zu sein wie andere starke EU-Partner, jedes gesetzliche und moralische Recht hat, seine Interessen zu verfolgen und dies auf eine Art und Weise, welche es als für sich am geeignetsten hält, selbstverständlich innerhalb des EU-Werte- und Regelrahmens, der die wirtschaftlichen Beziehungen der Mitgliedsstaaten mit Drittländern bestimmt.
Völlig inakzeptabel und gleichzeitig ein Beweis der Absichten von Frau Böge ist ihre Behauptung, dass der bilaterale Charakter der Vereinbarung „skeptisch gesehen wird“. An welcher Stelle entsteht bitte diese Skepsis? Ich erinnere Sie daran, dass 17 europäische Staaten, darunter auch 7 EU-Mitgliedsstaaten, bis heute MoU im Rahmen von OBOR mit China unterzeichnet haben und dadurch ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit mit diesem asiatischen Land aufgewertet haben. Selbst der gutgläubigste Leser kann mühelos zu der Schlussfolgerung kommen, dass die „Skepsis“ eher diejenigen Länder betreffen solle, welche seit langer Zeit den Löwenanteil der chinesischen Investitionen in der EU absorbieren. In Griechenland jedoch werden weniger als 1% dieser Investitionen getätigt. Auf der anderen Seite, fungieren auf den ersten Stellen der Empfänger von chinesischen Investitionen Länder wie Großbritannien (23,3%), Deutschland (18,5%), Italien (12,7%) und Frankreich (11,3%). Insbesondere, was Deutschland betrifft, muss erwähnt werden, dass China der größte Handelspartner ist, wobei das jährliche Handelsvolumen, 170 Milliarden Euro übersteigt.
Indem Frau Böge diese als Beispiel angeführten Fakten ignoriert, behauptet sie, dass „mehr als viele andere europäische Staaten hat Griechenland von der Zusammenarbeit mit China profitiert.“. Wie die Angelsachsen zu sagen pflegen: „never let facts get in the way of a good story“…
Ist es vielleicht so, dass die Tatsache, dass der Hafen von Piräus sich zu einem wichtigen Güterumschlagszentrum im Mittelmeerraum entwickelt, in Wirklichkeit kein Problem für die EU, wie wiederholt Ihre Zeitung behauptet, sondern eher ein Problem für andere darstellt, in diesem konkreten Fall, konkurrierende Handelshäfen Europas? Die wiederholten, unbegründeten Anspielungen der FAZ über eine vermeintliche Verbindung zwischen der griechisch-chinesischen Beziehungen und der Haltung meines Landes in verschiedenen Fragen, wie die der Menschenrechte und die des Beschlusses des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag, betreffend die Grenzen im Südchinesischen Meer, stellen eine böswillige Verdrehung der Realität dar und erweisen Ihrer angesehenen Zeitung keine Ehre. Diese Anspielungen haben wir bereits in einem früheren Schreiben an Sie zurückgewiesen.
Im gleichen Geiste, jedoch durchaus falsch und unakzeptabel, ist die Anspielung darauf, dass die griechische Seite den Text des Memorandums of Understanding, welches während des Besuches des griechischen Außenministers in China unterzeichnet wurde, nicht mal verhandelt hat. Diese stellt jedoch keine Überraschung dar, denn es geht mit den unakzeptablen Behauptungen einher, die vor paar Monaten in der FAZ veröffentlicht wurden.
Herr Chefredakteur,
ein solcher unbegründeter Umgang eines Redakteurs mit einem Land, zeigt, wenn nichts anders, Zweckmäßigkeit oder auch Mangel an Professionalität. Dies um so mehr, wenn es um Griechenland geht, welches in den letzten Jahren in sehr vielen Fällen bewiesen hat, dass es trotz aller Schwierigkeiten, vor welchen es gestanden hat, eine stabile, unabhängige, werteorientierte Politik bewahrt hat und weit weg von Opportunismus geblieben ist. Griechenland hat selbst den Böswilligsten bewiesen, dass es Regeln und Werte achtet und dass es weiß, Gleichgewichte zu bewahren.
Hochachtungsvoll
Theodoros Daskarolis